Ragweed: massive Belastungen zu erwarten
19.08.2024

Seit einigen Jahren zeichnet sich ein deutlicher Trend ab: Die Pollensaison beginnt zunehmend früher und endet später. Mancherorts ist der Blütenstaub von Pflanzen, der immer mehr Menschen Probleme bereitet, inzwischen fast über das ganze Jahr hinweg messbar – 2023 gab es an 330 Tagen nachweisbaren Pollenflug. Auch in diesem Jahr erwachten Hasel und Erle – gemessen am langjährigen Mittel – zwei bis drei Wochen früher aus ihrem „Winterschlaf“. Esche und Birke legten einen rekordverdächtigen Frühstart hin und die Gräsersaison begann im Osten Österreichs statt Anfang Mai bereits im April.

Anfang letzte Woche erreichte eine erste Welle an Ragweedpollen den Osten und Südosten Österreichs – auch das ist deutlich früher als üblich. Der Blütenstaub des Unkrauts wurde in rauer Menge aus Ungarn und Slowenien nach Wien, Niederösterreich, Burgenland, in die Steiermark und in Teile Kärntens eingeweht. „Dies waren die ersten Vorboten, die lokale Produktion der Ragweedpollen beginnt mit Ende August/Anfang September und dauert bis Ende September bis maximal Mitte Oktober“, informiert Dr. Markus Berger, Leiter des Österreichischen Polleninformationsdienstes. Die heurige Saison wird besonders stark, denn das feuchte und warme Wetter der letzten Wochen haben zu einem enormen Blütenstand geführt, so die Prognose.

Ragweed (auch bekannt unter Ambrosia artemisiifolia, Trauben- oder Fetzenkraut) ist eine aus den USA eingeschleppte, sehr anpassungs- und widerstandsfähige Pflanze mit hoher allergischer Potenz, die ein zunehmend großes Gesundheits- und volkswirtschaftliches Problem darstellt. „Immer mehr Menschen in Österreich reagieren bei Kontakt mit dem Blütenstaub mit Fließschnupfen, roten, juckenden Augen und Niesreiz. Sehr häufig ist chronisches Asthma eine Folge dieser Allergie“, so der Mediziner. „Es genügen bereits 4-5 Pollenkörner pro m3 Luft, um signifikante klinische Symptome auszulösen. Wir erwarten heuer aber mehr als 200 Pollenkörner pro m3.“

Neue Karte macht Vorschau noch genauer

Die international führende aerobiologische Einrichtung hat nun ihre Prognoselandkarte für ganz Europa weiterentwickelt. Das Rechenmodell im Hintergrund wurde auf den letzten technischen Stand gebracht, die grafische Darstellung verbessert. „Die Karte ist nun länderübergreifend, daher können Einwehungen von Pollen aus den umliegenden Ländern frühzeitig erkannt, erfasst und in der Vorhersage berücksichtigt werden“, erklärt Berger und ergänzt: „Unsere ungarischen Kollegen berichten über eine aktuell sehr starke Belastung durch Ragweedpollen in ihrem Land und bestätigen damit unser Prognosemodell.“ Allein nur den lokalen Pollenflug zu messen, bringt somit zu wenig Information für eine aussagekräftige Vorhersage.

Dazu wird die Schadstoffbelastung durch Ozon, Stickstoff- und Schwefeldioxid in die Belastungsvorhersage eingerechnet. „Aus Forschungen weiß man, dass diese Luftschadstoffe massiven Einfluss auf die Intensität der Beschwerden haben“, so Berger. „Mit unserer Prognosekarte können wir somit Belastungen durch den Pollenflug noch früher und noch genauer vorhersagen.“ Ein Blick auf die Karte macht für Allergiker auch Urlaubsreisen besser planbar.

Verfügbar ist die Prognoselandkarte auf www.polleninformation.at und in der Pollen+ App für alle Länder Europas und die Allergene Ragweed (Ambrosia), Beifuß, Birke, Erle und Ölbaum (auswählbar in den Einstellungen).

Info-Tipp Ragweed Finder

Jeder Bürger kann über die Webseite www.ragweedfinder.at oder über die Ragweed Finder-App Funde melden und damit mithelfen, die Verbreitung des Unkrauts einzudämmen. Die gemeldeten Fotos werden nach Prüfung durch Experten einmal pro Woche anonymisiert an die Landesregierungen der Bundesländer weitergeleitet, die über weitere Maßnahmen entscheiden.

Neue Pflanzen, neue Allergene

Aufgrund der klimatischen Veränderungen werden künftig neben Ragweed auch weitere Neophyten (ursprünglich nicht heimische Pflanzen) sowie Gewächse, die bislang noch keine klinische Relevanz hatten, Allergikern das Leben schwermachen. Im Umfeld des Neusiedler Sees etwa wird das Schilf in der ersten Septemberwoche zu blühen beginnen. Personen, die auf Gräserpollen sensibilisiert sind, können je nach Wind und Wetterlage auch diesen Pollenflug bis Wien hinein spüren.

Der Einjährige Beifuß (Artemisia annua) – ein Kraut, das ursprünglich aus Asien und den Balkanländern stammt – wird von Ende September bis Mitte November vor allem im Donauraum, wie erstmals auch schon im Vorjahr, für eine zweite Beifußwelle sorgen. Der Pollenflug fällt heuer den Prognosen zufolge durchschnittlich aus. Berger: „Artemisia annua verlängert die Pollensaison signifikant. Man kann sagen, dass diese Pflanze das Bindeglied zur ganzjährigen Pollensaison darstellt, denn im Dezember beginnt bereits die Blüte der Purpurerle.“

Aber auch die Olivenhaine im pannonischen Tiefland können in Zukunft bei Menschen für Belastungen sorgen, die auf den Pollen von Ölbaumgewächsen und der Esche sensibilisiert sind. In anderen Ländern ist der Olivenbaum bereits für sein Allergiepotenzial bekannt. Berger: „Es wird sich bald zeigen, ob sich die Olive auch bei zu einem problematischen Allergen entwickelt. Um darauf vorbereitet zu sein, haben wir den Ölbaum bereits jetzt in unsere Prognosekarte integriert.“

Der Götterbaum (ursprünglich aus China und Vietnam stammend) verbreitet sich zunehmend auch in Österreich und wurde als problematischer Neophyt eingestuft. Die Blüte des Zierbaums hat aus allergologischer Sicht bei uns allerdings noch keine Relevanz – was sich jedoch ändern kann, blickt man in sein Herkunftsland. Klinische Daten aus Österreich liegen dazu noch nicht vor. Berger: „Vorausschauend arbeiten wir daher an der Pollenprognose dieser Pflanze.“

Die Services des Österreichischen Polleninformationsdienstes sind kostenlos und basieren auf wissenschaftlicher Forschung in Zusammenarbeit mit Medizinern, Meteorologen und Aerobiologen der lokalen Pollenwarndienste in ganz Österreich. Der Polleninformationsdienst ist die einzige Stelle in ganz Europa, wo all diese Informationen zusammenlaufen. Die österreichische Vereinigung ist Vorreiter und Impulsgeber vergleichbarer Institutionen in anderen europäischen Ländern und spielt in der europäischen Allergieforschung eine zentrale Rolle.

Link-Tipps:

www.polleninformation.at: Aktueller Pollenflug, individuelle Belastung, Download Pollen+ App etc.

www.ragweedfinder.at: Meldeservice für Ragweed-Funde